27
Okt
2008

Ein Ehren(haftes)-Amt

Der Tod gehört zum Leben dazu.
So wahr, wie der Satz ist, so ungern beschäftigt man sich damit. Ich denke, ich gehöre zu der großen Mehrheit, die mit dem Thema Tod nicht viel anfangen kann und für die das Sterben etwas schwer Vorstellbares, Endgültiges und natürlich Trauriges ist. Und schon gar nicht passt es in unsere Gesellschaft, denn wer tot ist oder kurz davor, der konsumiert nicht und ist daher uninteressant als Zielgruppe.
Doch es gibt Orte, an denen man sich intensiv damit beschäftigt, zum Beispiel in einem Hospiz. Dort verbrachte u. a. die Cousine meiner Ex-Frau ihre letzten Tage. Ich selbst war nicht da, habe mir aber intensiv berichten lassen. Und ich war beeindruckt von der Art und Weise, wie dort mit dem Tod und den Menschen, die davon betroffen sind, umgegangen wird.
Nun beschäftigt mich das Thema wieder, denn E. hat sich entschieden, eine ehrenamtliche Ausbildung für die Sterbebegleitung in einem Hospiz zu machen. Ich bewundere sie dafür, denn ich hätte wohl die Kraft nicht. Doch ihr hilft da ihre esoterische Weltanschauung, in der der Tod eben nichts Endgültiges ist. Und so sieht sie diesen Lebensabschnitt mit anderen Augen, geht anders damit um. Daher möchte sie dem Tod seinen Schrecken nehmen, ihn ein Stück weit erträglicher machen für die Betroffenen. Das ist sicher oft nicht einfach, sowohl im Umgang mit den todkranken Menschen selbst als auch ihren Angehörigen. Ich hoffe, sie bringt nicht zu viel Kummer mit nach Hause.
Neulich sprach mich mein Sohn an und fragte, wie das denn sei, wenn man tot ist und plötzlich und nie wieder etwas sieht, hört oder fühlt. Es fiel mir schwer, eine gute Antwort zu geben ...
alex_blue - 27. Okt, 15:12

Das finde ich auch wirklich bewundernswert, soetwas zu tun (Sterbebegleitung). Ich finde diese Hospiz-Einrichtungen was wirklich sinnvolles und bestimmt sehr hilfreiches für die Betroffenen und vor allem auch die Angehörigen.
Ich selbst hätte die Kraft wohl auch nicht für eine solche Begleitung, bzw. mir wäre auch die Verantwortung zu groß, was falsch zu machen, vor allem in einer Situation, die nie wieder reaktivierbar ist . Aber ich bin natürlich auch ausbildungsmäßig überhaupt nicht in so eine Richtung geschult oder irgendwie vorbelastet.

Herr B. - 27. Okt, 17:10

Ich glaube, man kann dabei nicht viel falsch machen, zumal es ja auch nicht um medizinische Unterstützung geht. Zunächst bietet man einfach nur an, DA zu sein. Alles Weitere ergibt sich dann mit der Zeit, reden, zuhören, gemeinsam spielen oder auch nur schweigen ... Gut, dass es so etwas überhaupt gibt.
alex_blue - 27. Okt, 20:49

Ja, okay, so hört sich das gar nicht "so schwer" an. Ich glaube, man muß erst mal selbst lernen, sich in so einer Situation irgendwie richtig vorzukommen. Sich nicht als Störfaktor zu empfinden, als unpassend.
Ich kann mir denken, daß da auch viel bei zurückkommt, man viel selbst dabei mitnimmt.
Herr B. - 27. Okt, 21:32

Ja, da hast Du sicher Recht. Es gehört eine Menge Einfühlungsvermögen dazu, aber ich denke, man muss erstmal generell mit dem Thema Tod umgehen können. Schon damit hätte ich wohl derzeit noch meine Probleme.
die_huepfdohle - 27. Okt, 20:58

Das finde ich auch bewundernswert. Ich selber könnte das nicht, weil ich mit diesem Thema einfach nicht gut umgehen kann.
Eine Bekannte von mir verlor früh ihre Mutter, der Stiefvater gab sie und ihre Schwester in ein Heim (die Oma war die einzige Verwandte, die noch über war, allerdings war die zu alt). Sie hat laaaaaaaaaaange Zeit wirklich am Tod der Mutter zu knabbern gehabt, bis nach der Geburt des ersten Sohnes. Danach hat sie irgendwann gemerkt, dass es so nicht weiter geht, denn sie war mittlerweile schon schwer depressiv und die Familie litt natürlich darunter. Als es ihr wieder besser ging, gründete sie ein Trauercafe, das sie auch heute noch betreut.
Das hilft ihr, sagt sie.
Auch das könnte ich nicht.

Ich finde es wundervoll, dass es Menschen gibt, die das können und die sich das zutrauen!

Herr B. - 27. Okt, 21:34

Da ziehe ich auch meinen Hut. Und E. traue ich es wirklich zu, denn sie hat einen guten Draht zu anderen Menschen, kann sich auf sie einstellen. Dazu dann noch die halbjährige Ausbildung. Und - nicht zu vergessen - ihr Glaube an ein Leben danach ...
alex_blue - 28. Okt, 14:46

Ich glaube auch an ein Leben danach. Ohne konkrete Vorstellung, aber ich glaube daran, daß die Verstorbenen irgendwie "auf uns runter sehen". Mir gefällt diese Vorstellung, und ich fühl mich wohl dabei.
Wie es mit mir selber weitergeht nach dem Tod, also irgendwie konkretisiert - das kann ich nicht sagen, da hab ich keine Vorstellung drüber.
Herr B. - 28. Okt, 15:23

Ich finde diese Gedanken zumindest hilfreich, wenn es darum geht, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Ich selbst bin zu materialistisch erzogen worden, um an solche Sachen zu glauben, aber bin gar nicht soo glücklich darüber ...
Rot_farbedermacht - 29. Okt, 12:56

Über eine solche Ausbildung habe ich auch schon häufig nachgedacht, aber mir fehlt noch die Zeit dazu.
Angst vor dem Tod und dem Sterben habe ich nicht, eher schon davor, irgendwann komplett abhängig von anderen zu sein. Ich glaube auch nicht an ein Leben nach dem Tod, aber ich glaube fest daran, dass es hilfreich ist, wenn man nicht alleine ist, wenn man gehen muss. Und je mehr Angst ein Mensch hat, desto schwieriger wird es allein zu sein. Trotzdem kann man wohl keine generelle Aussage treffen. Eine gute Freundin von mir, die in sehr jungen Jahren unter sehr tragischen Umständen starb, konnte erst diese Welt verlassen, als einmal alle ihr Zimmer verlassen hatten und sie ein paar Minuten alleine war.
So schwierig dieses Thema ist, es wäre für alle einfacher, wenn sich die Menschen speziell in unserem Land, intensiver damit auseinander setzen würden. In anderen Ländern ist der Tod kein so großes Tabuthema. Und unser Leben ist nun einmal endlich.

Herr B. - 29. Okt, 13:03

Ein wahres Wort!
Sicherlich hängt da in vielen Ländern auch eine bestimmte Religion dran, die es den Menschen leichter macht. Doch grundsätzlich gehört der Tod nun mal als Teil unseres Lebens zu jedem Menschen dazu. Warum also nicht darüber reden? E. meinte neulich, die Trauer hätten doch eigentlich nur die Hinterbliebenen, weil ihnen klar wird, was sie alles NICHT getan haben. Und so kleiden wir uns in düsterem Schwarz, wo andere Völker ein freudiges Weiß vorziehen.
Rot_farbedermacht - 29. Okt, 13:13

Aber die Trauer gibt es auch in anderen Ländern. Nur: da kann man sie zulassen und sie herauslassen. Hier in Deutschland muss man es unter die Decke kehren und mit sich alleine ausmachen. Wenn jemand ein halbes Jahr nach dem Tod eines geliebten Menschen noch nicht wieder pausenlos lachen kann, sind wir mit unserer Geduld sehr schnell am Ende. Und statt zu stützen und zu helfen, kommen dann Vorwürfe und genervte Ratschläge, die wir dann weder hören wollen noch brauchen können.
Herr B. - 29. Okt, 13:33

Das ist sicherlich auch unserer hektischen Gesellschaft geschuldet, die sich für nichts mehr Zeit nimmt, auch nicht dafür. Hier zählt nur, wer fit und dynamisch ist.
Rot_farbedermacht - 29. Okt, 13:43

Sowieso.
Aber wir dürfen niemals müde werden, den Finger auf die Wunde zu legen, wenn wir etwas verändern möchten. Und wenn nur einer aufwacht, ist schon was geholfen.
Viele kleine Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, werden das Gesicht der Welt verändern.
alex_blue - 29. Okt, 15:48

Vor der Zeit vor dem Tod habe ich auch etwas Angst. Alleine zu sein, vielleicht hilflos zu sein, nicht mehr klar denken zu können, auf andere (Fremde?) angewiesen zu sein.
Aber ist (hoffentlich) noch lange hin.....
Herr B. - 29. Okt, 16:39

Geht mir auch so. Ich hoffe, es geht dann ganz schnell, wie beim Patenonkel meiner Frau, den ich tot in der Küche fand - einfach umgekippt und vorher topfit.
Elisabetta1 - 31. Okt, 19:21

das ist ein wirklich sehr diffiziles thema und jeder mensch, der sich den "sterbenden" widmet,
ist im uebertragenen sinne ein "engel" - so sehe ich das.
ich muss ehrlich gestehen, dass mir die zuwendung zu alten menschen ( und ich habe 2 damen
im alter von 88 und 93 , um die ich mich regelmaessig kuemmere ) wesentlich leichter faellt,
als mit geistig behinderten umzugehen ; obwohl auch diese damen von vergesslichkeit geplagt sind und ein wenig kindlich werden.
warum - ist mir eigentlich nicht klar , aber es bereitet mir wirkliches unbehagen, im kreise dieser bedauernswerten geschoepfe sein zu muessen und weil das so ist, habe ich tatsaechlich angst, als strafe fuer meine gedanken, selbst einmal eine behinderung zu erfahren.
ich werde sie vielleicht nicht mitbekommen, ich waere aber dann fuer die mich umgebenden menschen , eine ziemliche belastung.
" die seele ist ein weites land " sagte arthur schnitzler ...

Herr B. - 1. Nov, 14:15

Ich kann das gut nachvollziehen, es ging mir mit meinem behinderten Halbbruder ähnlich. Vielleicht liegt es einfach daran, dass man nicht weiß, wie man mit diesen Menschen (richtig) umgehen soll, zumal sie manchmal durch ihr ungewohntes Verhalten fast unheimlich wirken. Bei mir hat sich das dann auch gebessert, nachdem ich ihn ein paar Mal besucht hatte und ihn besser kannte.
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