30
Mrz
2009

Nachdenkliches beim Spaziergang

Am vergangenen Wochenende war mein Sohn wieder bei mir. Gestern haben wir dann die drei oder vier Sonnenstrahlen für einen kurzen Spaziergang genutzt. Wir sind ein wenig durch mein Wohnviertel gelaufen, ohnehin eines der Problemvierte der Stadt und sozialer Brennpunkt. Wir liefen an Glassplittern, Absperrungen und Schmierereien vorbei, und ich habe mich gefragt, ob unsere Jugend heutzutage keine andere Möglichkeit mehr hat, sich zu beweisen, als durch das Zerstören von Bus-Wartehäuschen, Demolieren von Werbetafeln, Zerkratzen von Fensterscheiben und Beschmieren von Wänden? Was läuft da falsch in unserer Gesellschaft?
Belleeer - 30. Mär, 09:06

Mangelnde Liebe...

alles andere ufert aus...

Herr B. - 30. Mär, 09:15

Das allein reicht vermutlich nicht als Begründung, dazu kommen m. E. Perspektivlosigkeit, mangelnde Freizeitmöglichkeiten aufgrund fehlender finanzieller Mittel, Tristesse der Umgebung im Betondschungel ... Ich bin inzwischen so weit, dass ich nachts nicht mehr freiweillig durch dieses Viertel laufe, und das finde ich sehr bedenklich, schließlich wohne ich doch da!
Stellar - 30. Mär, 09:18

Es ist tatsächlich so, dass die Jugend nichts mehr hat, um sich "abzureagieren" oder "zu beweisen".
Als ich Kind war, sind wir durch die Gegend gestromert, haben Höhlen und Baumhäuser gebaut,
Mutproben gemacht (die niemandem Schaden zugefügt haben) usw. usw.
Das haben die Kinder heutzutage doch nicht mehr. Die werden im Haus gehalten, Mama ist froh,
wenn Kind vorm Computerspiel hockt und ruhig ist.
Oder die Kinder werden vom Mama-Taxi von A nach B gefahren.

Noch eine Generation vor mir mussten Kinder schon früh Verantwortung übernehmen,
den Eltern im Geschäft helfen, im Haushalt helfen, sind früh in die Lehre gegangen.
Das alles hat ihnen Selbstvertrauen und Anerkennung gegeben.

Heute bist Du doch nur noch was, wenn Du den Highscore eines Computerspiels knackst.
Aber Kinder wollen sich bewegen. Müssen sich bewegen und irgendwie beweisen.
Und da ufert dass dann in Zerstörung und Gewalt aus, weil nix anderes da ist!

Herr B. - 30. Mär, 09:24

Genauso ist das - leider! Allerdings habe ich auch keine Idee, wie man das wieder ändern könnte. Was können die Eltern tun, was muss die Gesellschaft unternehmen? Sportvereine, Pfadfinder und Co.? Für die Großfamilien, die es in meinem Bezirk sehr häufig gibt, ist das sicher gar nicht bezahlbar. Was dann?
Elisabetta1 - 30. Mär, 10:39

meines erachtens liegt ein teil dieser misere...

... an der tatsache, daß kinder heute auf sich selbst gestellt sind, das heißt: niemand unternimmt etwas mit ihnen.
die eltern, beide berufstätig und nach der arbeit bestrebt, entweder ihrem eigenen freizeitvergnügen (sport, cafe etc.)
nachzugehen, oder zu hause ebenfalls vor dem pc oder tv-gerät zu sitzen, wollen *ihre ruhe*
man muß in einem kind ( wenn es nicht aus sich heraus wünsche klarmacht ) interessen wecken können, gemeinsames
erleben schafft da eine basis. kinder sind ( in einem gewissen alter ) *nachahmer*, aber es gehen ihnen zusehends die
*vorbilder* verloren. ( interviews mit 200 kindern , in einer unserer tageszeitungen, hat diese erkenntnis gebracht.)

Herr B. - 30. Mär, 12:43

Das ist vermutlich auch der Grund für den extrem Zulauf zu extremistischen Gruppierungen. Hier bekommen sie nämlich noch Schein-Vorbilder, Werte und Ziele vermittelt, denen sie dann bedingungslos hinterher rennen.
momente - 30. Mär, 11:25

Perspektivenlosigkeit der Eltern und Perspektivenlosigkeit der Kinder und Jugendlichen.

Ich arbeite selber mit solchen Jugendlichen. Sie sind so ziellos, in allem. Und man hat selbst von außen kaum die Möglichkeit das aufzubrechen.

Mangelende Wertschätzung ist auch ein großes Problem. Abgeschoben auf die Hauptschule, weil keiner ihnen helfen konnte (und Grundschullehrer sind oft sehr bemüht...) erleben sie kaum Erfolge. Wir haben ihnen einmal Steckbriefe geschrieben und ihnen gesagt, was wir toll an finden (Das war für uns wahrlich nicht einfach), aber diese Steckbriefe waren für sie Schätze. Staunend lasen sie sich immer und immer wieder durch.

Diese Jugendlichen vergammeln zugedröhnt/betäubt den Tag, eben weil sie nicht wissen, was sie mit sich anfangen soll.

Nur ein paar Gedanken, ich könnte ein Buch darüber schreiben.....

Herr B. - 30. Mär, 12:31

Oh ja, dann bist Du bei diesem Thema wohl bestens im Bilde. Ich fand es gestern total erschreckend, welche Spuren von Verwüstung und sinnloser Gewalt zu sehen waren. Und die völlig unvermittelte Aggressivität zweier ca. 14jähriger, die mir gleich Prügel androhten, nur weil ich sie angesehen habe, taten ihr Übriges für mein Meinungsbild.
Raine - 30. Mär, 11:49

Es gibt sehr viele Ursachen für solche Verhalten.
Natürlich Aufmerksamkeitssuche. Wenn schon nicht die Eltern auf einen achten, dann soll wenigstens die Welt sehen, zu was man fähig ist. Aber dann wird man natürlich auch von Eltern und anderen nahe stehenden Personen geprägt. Wenn die Mutter fröhlich ihre Zigarettenkippen durch die Innenstadt schnipst oder der Vater gerne mal seinen Müll im Keller eines anderen abläd, woher soll man dann die Vorbilder nehmen? Hauptsache, es gehört einem nicht selber. Der Rest ist egal.

Herr B. - 30. Mär, 12:42

Gibt es da (noch) Unterschiede zwischen Stadt und Land? Gibt es vielleicht sogar erhebliche Unterschiede innerhalb von Großstädten, die einfach soziale Ursachen haben? Ich bemühe mich immer, meinem Kind entsprechende Werte zu vermitteln, was es wirklich gebracht hat, werden aber erst die nächsten Jahre zeigen. Jedenfalls war er gestern entsetzt über das Gesehene ...
Paulaline - 30. Mär, 13:38

Oja, ich bin der Meinung, daß es da sogar riesengroße Unterschiede gibt.

Hier laufen die Kinder (ab ca 3 Jahren) in Gruppen jeden Alters rum. Rasselbanden. D.h. die "großen 10 Jährigen" kümmern sich um die Kleinen.
Letztes Jahr hat so eine ca 25 Kider starke Horde aus geklautem Sperrmüll ein Baumhaus auf privatem Gelände gebaut.
Und was für eines. Das war schon echt toll!
Wahrscheinlich hätte ich als Mutter die zusammenpfeifen müssen, damit sie das alles schön wieder zurücktragen.
(Hätten die auch gemacht. Hier auf dem Dorf hört man nämlich noch auf Erwachsene.)
Hab ich aber nicht. Ich hab Zwerg erklärt, wo er Nägel in meinem Keller findet. Die waren denen nämlich ausgegangen.
Die Hammer hatten sie sich von ihren Papas "ausgeliehen". Da stand ein kompletter Werkzeugkasten dort.
Die Großen haben zusammengebaut, die etwas Kleineren angereicht. Die ganz Kleinen haben so sinnbefreite Aufgaben bekommen,
um sie zu beschäftigen - doch, die hatten das gut im Griff dort!
Natürlich gab es dann irgendwann Ärger, als ein spaßbefreiter Erwachsener das gesehen hat. Aber auch das gehört dazu.
Und sie waren wochenlang (meiner Meinung nach gut) beschäftigt.

Hier kann man noch rumstreunern, Mist bauen und sich austoben.
Hier achtet aber auch jeder Erwachsene auf jedes Kind.
Sehe ich ein Kind, das Mist macht, bekommt es Ärger von mir.
Wird mein Sohn gesehen, wie er Mist macht, bekommt er den Anschiß von jemand anderem.


Eine afrikanische Weisheit sagt: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen."
Und ich glaube, das ist richtig.
Herr B. - 30. Mär, 13:45

Das habe ich ähnlich auch so erlebt bei meinem Kind. Hat es also auch etwas mit der Großstadtanonymität zu tun, den Hochhausghettos und den sozialen Kompetenzen der Leute, die in solchen Ghettos leben?
Paulaline - 1. Apr, 23:03

Oh ja, das glaube ich auf jeden Fall.
Wenn ich meine Omi besuche, die in einer mittelgroßen Stadt lebt, gehe ich mit dem Zwerg dort in der Gegend gern mal
auf den Spielplatz zum Toben.
Das ist eine riesige Grünanlage, die sehr gepflegt ist mit verschiedenen Spielplätzen. Am Rand der Grünanlage stehen
Unmengen von Hochhäusern. Man sieht Kinderfahrräder, Laufräder, Kinderwägen im Flur. Einzig Kinder sieht man nicht.
Nicht in der Anlage, nicht auf dem Spielplatz. Da müssen Hunderte Kinder wohnen! Wo sind die alle? Ich verstehe das nicht.
Die Wände der Hochhäuser sind alle vollgesprayt oder beschmiert.

Bei uns hier ist im Verhältnis ähnlich viel Platz. Hier sind immer Gören unterwegs, liegt auch immer Spielzeug rum, was
genommen und liegengelassen wird für die Nächsten. Vorgestern veranstalteten sie ein Picknick, jeder brachte etwas
von zuhause an und dann saßen die da auch Decken wie die Großen und teilten. Sicher, das haben sie uns Großen
abgeschaut. Irgendwann im Laufe des Tagen treffen sich dort Mütter und irgendwer holt ne Kanne Kaffee.

Ich verstehe nicht, wieso das dort in der Stadt nicht klappt.
Genausowenig wie ich nachvollziehen kann, daß es Menschen gibt, die ihre Nachbarn nicht kennen.
Hier kennt jeder jeden - und weiß auch noch alles über den. Und wenn es was Neues gibt, verbreitet
sich das auch in windeseile. Aber das müsste soch in solchen Hochhäusern ähnlich sein. Wo so viele
Leute auf wesentlich engerem Raum zusammenleben.
Herr B. - 2. Apr, 05:54

Ja, ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht, als ich in die Stadt zurück zog. Die Anonymität kannte ich noch von früher, aber der Umgang von und mit Kindern hat sich in den letzten Jahrzehnten leider gar nicht zum Vorteil entwickelt. Ich habe wirklich Sorge, wo das noch hinführen wird.
Ich kenne übrigens in meinem Hochhaus, in dem "nur" 18 Parteien wohnen, auch kaum jemanden. Gerade mal meinen direkten Nachbarn würde ich wohl auf der Straße identifizieren können ...
kittykoma - 30. Mär, 12:53

früher waren es vogelnester ausnehmen, frösche aufblasen und die wette darum, wer einen regenwurm schluckt. ein schönes beispiel für einen tag kindheit auf dem land ist ehm welks "die heiden von kummerow. da wurde gestromert, gehauen und gefährlicher blödsinn gemacht.
ich glaube, so viel spezielle angebote für kinder und fokussierte aufmerksamkeit durch mütter gibt es erst seit ca. 25 jahren. parallel dazu läuft der trend, daß kinder und jugendliche immer mehr von verantwortung ferngehalten werden. früher sind die ersten mit 14 berufstätig gewesen. da blieb nicht viel energie für blödsinn.
die umwelt ist anders geworden, kontrollierter, verplanter funktionabler. je perfekter die städte durchgeplant sind, um so ruinierter sehen sie aus, denn sich jugendliche energie bahn bricht.

Herr B. - 30. Mär, 13:40

Natürlich hat man früher auch Blödsinn gemacht. Aber diese Aggressivität und Brutalität, aus denen dann oft auch Kriminalität werden, die müssen doch irgendwo her kommen? Busfahrer schlagen, Koma saufen, Zerstörungen, Einbrüche ... Da kann man doch nicht wegschauen und lediglich darauf hinweisen, dass die nun mal in der heutigen Zeit so ist, wie es ist.
kittykoma - 30. Mär, 15:06

in der stadt ist kaum noch gesellschaftliche kontrolle da. paulaline schildert ja ganz andere zustände.
Herr B. - 30. Mär, 15:09

Meinst Du, diese Entwicklung ließe sich - irgendwie - aufhalten? Wenn nicht, wo führt das hin? Kann ich irgendwann nach Sonnenuntergang gar nicht mehr vor die Tür treten, ohne Angst zu haben, verprügelt oder beraubt zu werden? Wenn ich schon jetzt höre, wie oft am Abend die Polizei ins Viertel fährt, möchte ich gar nicht genauer wissen, was da abgeht ...
Paulaline - 1. Apr, 23:07

Ich könnte so nicht leben!
Ihr werdet lachen, aber hier stehen die Haustüren noch auf.
Und es kommt auch jeder einfach so rein. Klopfen, aufmachen, "hallo" brüllen.

Unsere JUgendlichen hier bauen auch ihren Mist. So ist das nicht. Aber nichts
so gewalttätiges, zerstörerisches glaube ich. Allerdings gibt es für die Jugendlichen
(so ab 15 aufwärts) hier auch nichts, was sie tun könnten. Da fehlt es an Möglichkeiten.
Herr B. - 2. Apr, 05:56

Mein Leben ist es auch nicht wirklich, leide konnte ich es mir in diesem Fall nicht aussuchen, was verschiedene Ursachen hat. Aber sollte ich mal mehr Geld und auch sonst andere Lebensumstände haben, werde ich mir zumindest ein schöneres Fleckchen hier in der Stadt aussuchen, denn die gibt es hier durchaus noch - zum Glück!
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