10
Okt
2008

Das "Dorf" Berlin

Da hat Berlin nun rund 3,5 Millionen Einwohner, und doch hat man manchmal das Gefühl, Berlin sei ein Dorf. Zum Beispiel morgens auf dem S-Bahnhof, auf dem man immer die gleichen Leute sieht: der (offenbar geistig verwirrte) Mann, der den ganzen Bahnsteig bis nach hinten läuft nd den letzten Wagen einsteigt, um dann an jeder Station wieder in den nächstvorderen Wagen umzusteigen; die beiden Frauen, die offenbar in der gleichen Behörde wie ich arbeiten und täglich lauthals über den Laden fluchen; der Mann der jeden Morgen Tetris auf seinem Handy spielt, die schon erwähnte Frau, die in meine Richtung fährt und dann jeden Morgen vom Bahnhof bis zum Drehkreuz rennt ...
Man kann diese Stadt mögen, aber wenn man einmal bei klarer Nacht auf einem Hügel mitten im Thüringer Wald gestanden hat, die absolute Ruhe und den tollen Sternenhimmel genossen hat, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass die übergroße Hektik und der Mief der Großstadt einen eigentlich nur krank machen kann.
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 10:01

Das hat, wie alles, zwei Seiten. Es gibt auch Menschen, die das Leben auf dem Land krank macht.
Aber die Idee, an jeder Station in den nächstvorderen Wagen umzusteigen, gefällt mir. Man ist während der Fahrt in Bewegung - und wenn man alle Wagen durch hat, ist man da. Wäre dann nur blöd, wenn die Verkehrsbetriebe mal einen Wagen mehr oder einen weniger anhängen ;-)

Herr B. - 10. Okt, 10:13

Ja, damit wäre der Mann vermutlich überfordert :-)
Also eines ist mit Sicherheit klar: Die Hektik einer Großstadt kann nicht gesund sein, auch wenn ich sie im täglichen "Gebrauch" gar nicht spüre und mir erst klar darüber werde, wenn sie mal weg ist. Aber natürlich gibt es auch eine Menge Vorteile! Ein ganz banales Beispiel: ICH ärgere mich schon, wenn mir meine Bahn vor der Nase wegfährt und ich 5(!) Minuten warten muss, bis die nächste kommt. Davon kann man auf dem Land ja nur träumen.
Dazu kommen jede Menge Freizeitmöglichkeiten in allernächster Nähe, eine Riesenauswahl an Supermärkten usw. Aber der Stress, dieses wahnsinnige Pulsieren der Hauptstadt, zehrt an den Nerven und der Gesundheit, auch unterschwellig. Und dagegen kann man sich leider nicht wehren.
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 10:38

Ich kenne mich in Berlin nicht so aus. Gibt es keine Möglichkeit, außerhalb in eher ländlicher Atmosphäre zu leben? Vermutlich sind dann die Anfahrtszeiten zur Arbeit zu weit, oder?
Herr B. - 10. Okt, 11:19

Genau so ist es! Ich hatte das zehn Jahre lang. In der Tat ist es eine Erholung, da draußen zu wohnen, fast wie Urlaub, wenn man nach Hause fährt. Aber man ist auf ein Auto angewiesen, steht täglich im Stau und braucht halt gern mal eine Stunde bis ins Büro. Jetzt habe ich kein Auto mehr und bin auch in 40 Minuten auf Arbeit!
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 13:24

Es gibt viele, die so weit fahren müssen, gerade wenn sie auf dem Land leben. Da muss man halt abwägen, was man möchte und was einem wichtiger ist. Ich lebe in einer Kleinstadt, habe auch schon auf dem Dorf gelebt und bin eigentlich ein echter Stadtmensch. Und mich bewegen, um zur Arbeit zu kommen, muss ich so oder so.
Herr B. - 10. Okt, 13:34

Ja, sicher, aber es ist eben nicht NUR der Weg ins Büro - Fitnessstudio, Einkaufen usw. Wenn man für all solche Wege erheblich länger unterwegs ist, nervt es irgendwann. Mit dem Auto ist mir das kaum aufgefallen, aber jetzt, wo ich auf die Öffentlichen angewiesen ist, macht sich das doch erheblich bemerkbar.
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 13:49

Lach, ohne jetzt arrogant klingen zu wollen: ist das nicht alles eine Frage der Organisation?
Abgesehen mal davon, dass mir das alles ohne das Auto auch erheblich schwerer fallen würde.
Herr B. - 10. Okt, 13:56

Teils, teils. Sicher kann man einige Wege optimieren. Aber Fitness zum Beispiel: Das geht schon damit los, dass ich meine Sporttasche morgens mittnehmen müsste. Da die Halle nicht an der Bahn liegt, muss ich mehrmals umsteigen, den Bus nehmen usw. Alles in allem wäre ich rund 1,5 Stunden länger unterwegs. Und das zwei Mal pro Woche. Das kann und will ich mir einfach nicht leisten. Sicher, bei der Größe der Stadt sind solche Entfernungen und Zeiten nicht außergewöhnlich. Aber nerven tut es trotzdem.
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 14:16

Ich verstehe das durchaus. Aber vielleicht gibt es ein Fitness-Studio, dass näher an der Arbeitsstelle liegt? Nein, ich bin nicht spitzfindig, aber Organisieren gewohnt :-)
Herr B. - 10. Okt, 14:21

Wenn ich bereit bin, mehr zu zahlen, schon ... Kann ich mir nur leider nicht leisten. Also muss ich bei McFit bleiben, und die sind leider überhaupt nicht auf meinem Weg.
Aber egal, ich habe mich ja mit der Situation abgefunden und arrangiert. Es ist halt, wie es ist - ohne Auto ist man in der Stadt viel besser aufgehoben als "auf dem Land".
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 14:23

Hey, ich wollte Dich nicht angreifen. Ich versteh das ja alles durchaus.
Und in der Stadt ist man ohne Auto in der Tat deutlich besser dran. Selbst in einer Kleinstadt wie meiner ist es schon schwierig, wenn man kein Auto hat.
Herr B. - 10. Okt, 14:26

Ist auch nicht so angekommen. :-)
Ich hätte mein Auto theoretisch auch gern behalten, weil man nun mal unabhängiger ist. Ging halt finanziell nicht. Dabei ist es schon erstaunlich, wie viel Geld so ein Gefährt auffrisst und was sich ohne alles sparen lässt ...
Rot_farbedermacht - 10. Okt, 14:54

Dann bin ich ja beruhigt. Ich denke, es spart auch deswegen eine Menge, weil man viele Dinge ohne Auto gar nicht mehr unternimmt. So wäre es bei mir ...
Herr B. - 10. Okt, 18:48

Also das kann ich bisher noch nicht bestätigen, im Gegenteil - gerade, wenn ich in die Stadt will, habe ich früher oft gezögert, weil ich keine Lust hatte, wieder ewig im Stau zu stehen oder nach Parkplätzen zu suchen. Da bin ich heute spontaner :-)
bonanzaMARGOT - 10. Okt, 11:38

so interessant die grossstadt

mit seinen menschen, winkeln, gebäuden, palästen, kneipen und restaurants auch sein mag, ich wollte dort auch nur eine begrenzte zeit leben. ich mag am liebsten den mix, d.h. das ländliche, aber die größere stadt nicht zu weit entfernt.

berlin habe ich mit seinem "kiez-charakter" in erinnerung. jeder kiez ist tatsächlich wie ein dorf oder eine kleine stadt.

alex_blue - 10. Okt, 11:42

darf ich anmerken: die Großstadt mit IHREN Menschen
Herr B. - 10. Okt, 11:53

Ja, davon gibt es hier einige und man kann sich dort durchaus wohlfühlen. Leider nimmt in einigen dieser Bereiche das soziale Gefälle immer mehr zu, sodass es dort auch zu Problemen kommt. Andererseits gibt es auch sehr ruhige, grüne Ecken, nur kann man da die Mieten nicht bezahlen ...
alex_blue - 10. Okt, 11:41

Wir haben es so ähnlich gemacht. Wir wohnen außerhalb von F, ca. 20km. Mein Schatz fährt mit dem Auto (da er es auch untertägig benötigt), ich per S-Bahn. Stau haben wir eigentlich nicht, es ist zwar viel los morgens, aber es läuft.

Allerdings muß man sagen, daß F natürlich von der Größe her nicht mit B zu vergleichen ist. In B dauert es natürlich deutlich länger, bis man überhaupt mal am Stadtrand ist.
Und wir arbeiten beide in F in Lagen, die entweder sogar Richtung Wohnort sind (bei R) oder recht zentral. Sprich wir müssen nicht durch die Stadt durch ans andere Ende.

Ich bin jedenfalls sehr froh, Abends rauszukommen aus der Großstadt. Allein schon wegen der Luft !
Aber - wir haben uns bewußt einen Wohnort gesucht, der selbst groß genug für ausreichend Infrastruktur ist und eine gute Anbindung nach F hat.
Das "platte Land" wäre für uns auch absolut nix.

Herr B. - 10. Okt, 11:52

Das war damals für uns auch der Grund, warum wir an den Stadtrand gezogen sind. Und Bedingung war, dass man zumindest leicht mit der Bahn ins Zentrum kommt.
Da ich aber nun kein Auto mehr habe, war ich gezwungen, wieder in die Stadt zu ziehen. Und ich muss sagen, einige Vorteile genieße ich schon. Aber die schlechte Luft und die ständige Unruhe, selbst mitten in der Nacht, die kann einem schon auf die Nerven gehen, wenn man keine 20 mehr ist :-)
claudi_stern - 10. Okt, 13:02

Bei diesem Thema MUSS ich einfach kommentieren! :)
Zum einen interessiert es mich, wo alex_blue wohnt so als echtes Frankforter Mädsche. Und da sind wir auch schon beim Thema. F hat mich versaut. Hat mir die Faszination und Vorliebe fürs Urbane und Großstädtische in die Gene eingepflanzt.

Jetzt wo ich ausserhalb wohne (von S wohlgemerkt) und auf das Auto angewiesen bin, merke ich dass Wohnen da draussen zwar so seine netten Seiten hat aber wenig Vorteile gegenüber dem urbanen Großstadtleben.

Auch B kenne ich einigermassen gut. Klar andere Größenordnung. Aber wer mal ein gutes halbes Jahr in Manhattan in NYC gelebt habt und es geliebt hat, der muss ein echter Großstädter sein! ;)

Ich denke, das hat viel damit zu tun, wie man selbst aufgewachsen ist, was man für ein Typ ist und an welchem Punkt man in seinem Leben steht. Eine Familie wollte ich sicherlich nicht im Big Apple großziehen.

Herr B. - 10. Okt, 13:18

Na klar, die Gewohnheit spielt eine große Rolle. Ich habe immer in der großen (zu Ostzeiten nicht ganz so großen) Stadt gewohnt und kenne fast nichts Anderes. Und mich hat es bisher auch nie gestört. Doch da ich in den letzten 10 Jahren im Speckgürtel wohnte und nun wieder mittendrin bin, fällt mir schon ein Unterschied in der Lebensqualität auf. Natürlich genieße ich es, in wenigen Minuten im Kino, im Supermarkt oder an der U-Bahn zu sein, aber der Lärm, der Gestank und die Hektik drücken auf die Lebensqualität. Das fällt mir mit steigendem Alter immer mehr auf.
P. S. War mir klar, dass DU was zum Thema zu sagen hast *g*
kepkezkem - 10. Okt, 14:14

UBahn
Besonders jene Stationen, an denen man in eine andere Linie umsteigen kann.
Die Leute - wie eine Viehherde, die gerade zur Schlachtbank getrieben wird.
Nervös, hektisch, panisch (weil die Ubahn versäumt werden könnte, die nächste kommt ja ERST in 3 Minuten), drängelnd, rennend, rempelnd.....

In Wien ist es kein bischen besser.....

Herr B. - 10. Okt, 14:16

*lach* Na, dann - willkommen im Club. Ich finde das auch furchtbar. Es gibt hier bestimmte Stationen, da ist das ganz besonders schlimm. Man hat den Eindruck, es ginge um Leben und Tod :-)
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