10
Nov
2013

Was wäre, wenn ...

Inzwischen ist es knapp neun Monate her, seit wir uns zum ersten Mal sahen. Neun intensive Monate, mit einem Tief, aber ganz vielen Höhen, die bis heute anhalten. Der letzte Besuch über eine komplette Woche war dabei noch einmal etwas Besonderes, dieses Stück "normales Leben" hat uns noch näher gebracht und in dem Gefühl bestätigt, dass wir nicht nur Urlaub glücklich miteinander verbringen können. Ich spüre es nicht zuletzt bei der Sehnsucht, die nach kurzer Zeit nun noch stärker ist als zuvor.

Ergebnis ist, dass wir uns in den verbleibenden sieben Wochen des Jahres noch fünf Mal sehen werden. Ich war noch nie so oft in der Luft wie in diesem Jahr! Es fühlt sich toll und beruhigend an, wenn der nächste Besuch schon beim Abschied fest steht und man sich darauf freuen kann. Und doch bedauern wir es immer mal wieder, dass es eben nicht möglich ist, mal GANZ spontan zu sein, wenn die Sehnsucht am größten ist. Heute früh beim Skypen wäre so ein Moment gewesen, in dem ich gern alles stehen und liegen gelassen hätte und losgefahren wäre, um dieses Strahlen in ihren Augen live zu sehen ....

Durch einen Zufall hab ich bei einem zweitägigen Forum einen ehemaligen Kollegen getroffen, der jetzt in der Schweiz lebt und arbeitet. Er hat mich darauf gebracht, über einen Weg nachzudenken, der früher oder später ohnehin ein Thema sein würde: Was wäre, wenn ich mir einen Job in der Schweiz suchte?

Zwei Dinge braucht es dafür in jedem Fall - Mut zum Risiko und keine Angst vor den Konsequenzen. Es hieße für mich, einen komplett sicheren Arbeitsplatz aufzugeben, meine Heimat hinter mir zu lassen, weit weg von meinem Sohn und meinem Vater zu sein, in einem Land, dessen Sprache ich erst noch lernen muss, und natürlich ohne Garantie, ob das alles gut geht, im Job und auch in der Beziehung im Alltag. Diese Garantie gibt es bei allen tollen Gefühlen nun einmal nicht.

Auf der anderen Seite: Wann, wenn nicht jetzt! Bei der Durchsicht verschiedener Job-Portale lese ich ganz oft von Altersbegrenzungen "nicht älter als 30, 40, 45". Wenn bei mir erst einmal die fünf vorn steht, wird es sicherlich noch schwieriger mit einem Wechsel. Ich mag dieses Land in den Bergen sehr (ob es mich auch mag, wird sich zeigen ...), ich liebe meinen Schatz, ich hatte bisher nie Schwierigkeiten, mich in neuen Umgebungen zurecht zu finden, neue Aufgaben anzunehmen und zu meistern. Mein Sohn wird bald 17, ich sehe ihn schon jetzt nur noch selten, und er hat schon signalisiert, dass er mich gern besuchen kommen wird! ;-)

Mein Vater würde traurig sein. Unser Verhältnis ist enger geworden in den letzten Jahren und wir sehen uns derzeit etwa alle sechs bis acht Wochen. Er würde es zwar nicht zugeben und sich freuen, wenn ich glücklich bin, aber der Abschied würde ihm ganz sicher schwer fallen (mir auch), zumal er mich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr besuchen kommen könnte. Aber dank preiswerter Flüge würde ich dann die Reise immer mal wieder antreten. Und für die Zeit dazwischen gäbe es Skype.

Mal abgesehen von den ganzen bürokratischen Aufwänden (die ich noch gar nicht überblicke, schließlich ziehe ich nicht nur innerhalb meines Landes um) hätte ich große Lust, mich in dieses "Abenteuer" zu stürzen. Die Miete meiner Wohnung wurde trotz anhaltenden Fluglärms gerade erhöht, vielleicht sollte das auch ein Zeichen sein? Ich wurde schon mehrfach gefragt, wozu denn mein Bachelor nun gut sei und ob ich nicht am freien Markt Chancen hätte, auch mehr Geld zu verdienen. Und genau das werde ich nun testen - auf dem Schweizer Arbeitsmarkt! Drei Bewerbungen sind abgeschickt, um meinen Marktwert zu überprüfen, und ich warte jetzt einmal ab, ob diese drei "Testballons" ganz schnell platzen, oder vielleicht auch nicht ... Über die Details mache ich mir dann Gedanken, wenn es konkret werden sollte.

Es wird in den nächsten Wochen bei aller Euphorie ganz sicher Phasen gebe, in denen ich meine Vision anzweifle, aber es gehört dazu, seine Pläne kritisch zu hinterfragen. Das schützt vor Leichtsinn, schließlich geht es um viel. Doch einen Vorteil hab ich in jedem Fall gegenüber anderen Deutschen, die "nur" der Arbeit wegen wegziehen: Ich hab meinen Schatz, der zu mir steht, mich emotional unterstützt und schon jetzt eine große Hilfe dabei ist, Brücken zu schlagen und nicht isoliert zu sein im fremden Land.

Es könnte ein spannendes, ganz besonderes Jahr in meinem Leben werden.
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