28
Jun
2013

Bildungsreise-Tagebuch

Ganz spontan, wie eigentlich immer bei uns, haben wir die Pläne geändert, und so verbringe ich eine Woche meines Urlaubs in der Schweiz bei meinem Schatz. Zum ersten Mal bin ich ein wenig länger hier und aus "organisatorischen" Gründen auch eine Zeit lang allein. Eine sehr lehrreiche Zeit, wenn man etwas über Land und Leute lernen möchte. :-)

Nun gut, die sprachlichen Besonderheiten der Eidgenossen im Unterschied zum "Deutschen Deutsch" haben bei uns beiden schon für manchen Lacher gesorgt, richtig schwierig wird es aber, wenn man dann keinen Übersetzer mehr dabei hat oder gar in die welsche Schweiz fährt und plötzlich eine ganz andere Sprache gesprochen wird! Selbst das Bestellen eines Cheeseburgers funktioniert auf einmal nur noch mit Händen und Füßen oder in der gemeinsamen Fremdsprache Englisch, wenn man, wie ich, der französischen Sprache nicht mächtig ist. Und dabei bin ich nur wenige Kilometer weiter gefahren und immer noch im selben Land (vermute ich zumindest).

Der nächste Schock wartet dann gleich beim Bezahlen. An das Umrechnen hab ich mich schon gewöhnt, an die Preise an sich noch nicht so recht. Für die selbe Summe meines "Menü small" hätte ich in Deutschland zwei Personen satt bekommen (na gut, fast). Dafür ist aber alles hübsch ordentlich und sauber, überall. Kein Hundedreck, keine zerkratzten Scheiben in den Bussen und kaum verschmierte Häuserfassaden. Eine Wohltat. Und endlich mal pünktliche Züge! Ob das daran liegt, dass das Land überschaubar klein ist, weiß ich nicht. An übertriebener Hast liegt es wohl nicht - bei der Geschwindigkeit, mit der die Dame an der Supermarktkasse die Waren über den Scanner zog, wäre sie in Berlin schon entlassen oder zumindest von pöbelnden Kunden angeschnauzt worden. Hier hat das niemanden gestört, und ich hatte auch Zeit.

Den heutigen Abend habe ich (wiederum aus organisatorischen Gründen) mit mir völlig fremden Einheimischen verbracht. Obwohl die Menschen hier im Dorf sehr freundlich sind und ich sogar von Polizisten und Teenagern freundlich und aufrichtig mit "Bonjour" begrüßt werde, bemerkte ich an der kleinen Bar meines Hotels zu Anfang eine gewisse Skepsis und alle Gäste um mich herum unterhielten sich trotz Kenntnis meiner Herkunft auf französisch. Aber nachdem einer der Herren Mut fasste und mich wiederholt in meiner Muttersprache und noch dazu fast akzentfrei ansprach (er war 80 Jahre alt und erzählte Anekdoten aus dem Krieg und seinen Reisen über die Grenze), konnten die anderen Herren plötzlich auch Deutsch und schließlich wurde ich sogar eingeladen. Santé! Auf die Gastfreundachaft in der Schweiz! Als alle Gäste gegangen waren, unterhielt ich mich noch mit dem Hotelchef und erfuhr, dass der eigentlich in Paris wohnt und nur zum Arbeiten in sein Heimatland reist. Was es nicht alles gibt!

Nebenbei lese ich abends noch ein Buch, das ich von meinem Schatz zum Geburtstag geschenkt bekam, und so weiß jetzt immerhin, wie viel Kantone es hier hat, wo man den Schweizer Diminutiv benutzt und wo nicht, und was der Rösti-Graben ist (Rösti sind ich korrigiere: ist übrigens sehr lecker und kommt hier ganz anders auf den Teller, als ich das von zu Hause kenne).
Ein bestimmtes Buch könnte ich inzwischen wohl auch schreiben: Wo findet man in der Schweiz kostenlose WLAN-Hotspots. Ich kenne sie ALLE! :D

Das Faszinierende für einen Flachländer wie mich ist, dass man hier, egal, wo man sich befindet, immer die Berge sieht. Und was für welche! Leider meint es das Wetter nicht gut und die Wolken verwehren mir und meiner Kamera den Blick auf dieses Panorama. Aber wenn die Berge nicht zu mir kommen, komme ich zu ihnen. Und so haben wir am Wochenende einen wunderbaren Ausflug in die Alpen gemacht und der kleine Touri aus Berlin hat Fotos im Dutzend geschossen. Mein lieber Schatz war sehr geduldig und ich denke, ich habe nun jeden Stein im Umkreis der Jungfrau (damit meine ich jetzt nicht meinen Schatz) digital festgehalten.
Ein Beispiel? Bitte sehr:

Jungfrau

Ein Erlebnis ganz anderer Art war der Stopp in Interlaken auf dem Rückweg. In diesem Ort werden täglich Busladungen voller Asiaten (Japaner, Chinesen, Inder ...) ausgekippt, die zuerst unendlich viele Fotos voneinander mit den Alpen im Hintergrund machen, und dann werden sie von den Reiseleitungen gezielt in die Luxus-Boutiquen des Ortes gelotst, in denen eigens dafür angestellte Muttersprachler darauf warten, super teure Designertaschen und -uhren zu verkaufen. Das Ganze erinnert mich ein wenig an Kaffeefahrten in Deutschland, nur auf anderem Niveau.
Daneben haben wir in diesem Ort ungewöhnlich viele schwarz gekleidete und bis auf einen Sehschlitz komplett verschleierte Frauen gesehen. Gemeinsam mit den dazu gehörenden arabischen Männern in Shirt, kurzen Hosen und Sandalen ergab das schon ein sehr bizarres Bild!

Abgerundet wurden die wundervollen Tage durch ein kleines, feines Bloggertreffen zu dritt mit Boelleli und gestern noch mit einem typisch Schweizerischen Gericht: Käse-Fondue! Das war sehr lecker und noch dazu gemütlich im sehr urigen Ambiente eines Keller-Restaurants.

Während ich diesen Post zu Ende schreibe, bin ich schon wieder zu Hause. Leider hat das Wetter nicht so ganz mitgespielt (von Sommer keine Spur), aber trotzdem war es eine sehr schöne, intensive, erlebnisreiche und auch erholsame Woche! Und wie haben wir heute Morgen festgestellt: Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub!
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